In loser Reihenfolge erscheinen hier satirische Beobachtungen aus Tobis Feder. Viel Spaß beim Lesen.

NÖRGELN

Also, wir Nörgeln doch so gern. Wir sind, sorry, ganz einfach ein Volk der Nörgler. Ist doch viel einfacher zu sagen: "Ach, mein Gott, heute war wieder alles so Scheiße, hätte besser gleich im Bett bleiben sollen", oder dem Kellner folgende Worte um die Ohren zu hauen, auf die Frage: "Hat´s denn geschmeckt?" "Also wissen sie, hören sie mal, das war ja wirklich eine absolute Katastrophe, die Tagliatelle matschig, die Soße fade, und, na ja, die Austernpilze musste man auch mit der Lupe suchen, also, wir kommen ganz bestimmt nicht wieder". Aber den Teller ratzekahl leer gegessen, und die Soßenreste noch mit dem letzten Stück Ciabatta vom Tellerrand gedipt. Und die halbe Welt hungert. Das haben wir gern. Und erst das Nörgeln in den unsagbaren, unzähligen Dinner Shows im TV. Ein Hauch zu viel vom Schmauch, eine Nuance zu viel von der Schmonze. Zu früh, zu spät, zu süß, zu sauer, zu bitter, zu warm, zu kalt, zu frisch, zu alt, geht gar nicht, ist nicht meins. Könnt´ ich mich so was von drüber aufregen, könnt ich so was von den überkandidelt, überdekorierten Tisch zusammen kloppen, wenn ich nur ein zur Gewalt neigender Mensch sein würde, du liebe Currywurst. Tu ich aber leider nicht. Das ist doch ein Abendessen und kein Dekoladen. Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt! Schon vergessen? Wo genörgelt werden kann, nörgeln wir eben. Übers Arbeiten zum Beispiel: Arbeiten ist sowieso Scheiße, grundsätzlich, egal, wann und wo. "Oh Gott, morgen muss ich wieder zur Arbeit, ich hab´ echt keinen Bock!" Und das nach drei Wochen Mallorca, und zwei Wochen Krankschreibung. Na ja, danach braucht man ja auch erst mal zwei Wochen Urlaub. Und erst die Schlange an der Aldi-Kasse am Freitag um 19.55 Uhr. Als hätten wir es nicht vorher gewusst. War es letzten Freitag nicht genauso, und vorletzten, und vorvorletzten? Und hat Aldi nicht eigentlich sechs Tage die Woche geöffnet? Und auch schon ab 8:00 Uhr morgens? Aber natürlich müssen wir alle um 19.50 Uhr den Laden stürmen. Unter dem Motto: "Hilfe, ich werde dieses Wochenende verhungern, wenn ich nicht sofort den Wagen bis oben hin vollpacke!" Und fünf Minuten später, ran an die gestresste Kassiererin, die die einzig geöffnete Kasse bedient, und sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich nach Hause gehen zu dürfen. „Machen sie nochmal ´ne Kasse auf! Nur eine Kasse am Freitagabend? Ist ja eine Unverschämtheit sondergleichen. Was für eine Organisation. In Zukunft werde ich woanders einkaufen!" Was für eine Drohung."Mach doch blöde Kuh", denkt die Kassiererin, und ich denke:" Ich steck´ dich gleich mit deinem Kopf in deinen völlig überfüllten Einkaufswagen! Was für vollkommen überzuckerte Schwachsinnsprodukte, die wirklich nicht nur kein Mensch braucht, sondern auch noch fett und krank machen, hast du denn wieder im Fresssuchtwahn einer komplett verfettenden Wohlstandsgesellschaft in deinen alltäglichen Warenkorb gepackt?“" Bleibe aber ganz cool als letzter in der Reihe stehen, der Kassiererin einen mitleidsvollen Blick zuwerfend. "Tut mir leid, dass es so blöde Leute gibt". Und sie wirft mir einen verzweifelten Blick zurück, den ich so deute:"Ich kann nicht mehr, wirklich nicht. Ich schmeiß´ jetzt sofort alles hin, und kündige". Sie denkt aber gleichzeitig an ihren fünfjährigen Sohn, der jetzt sehnsüchtig, bei der Oma geparkt, darauf wartet, dass Mama ihm die Negerküsse mitbringt, die heute wieder aus dem Regal gefallen sind. Nörgeln macht eben Spaß. Besonders, wenn man dabei in dem Moment vermeintlich Schwächere fertig machen kann. Wie feige. Wie hinterhältig. Wie spießig. Wie gemein. Frag´ doch nächstes Mal den bulligen Türsteher von der Disco am Hans Albers Platz, wenn der sich mal wieder kurz vor Toresschluss in die Polposition drängt, ob er sich nicht gefälligst, genau wie alle anderen, hinten anstellen kann? Das wäre wirklich mal sinnvolles Nörgeln, an der richtigen Stelle, gewesen. Traut sich aber natürlich keiner. Nicht diesen Freitag um 19.55 Uhr, nicht den letzten, und erst recht nicht den vorletzten. Aber so, einfach nur feige, und gemein. Armseliges Verhalten. Absolut hirnlos. Könnte ich mich so was von drüber aufregen. Über solche Leute, die immer nur an der falschen Stelle am Nörgeln sind. Nörgeln hilflose Kassiererinnen an. Augenscheinlich überforderte Kellner. Den Busfahrer, weil der Bus so voll ist. Als, wenn der was dafür könnte. Kellnerinnen, weil das Restaurant überfüllt ist. Als, wenn die was dafür könnten. Toilettenfrauen, weil die Toilette verstopft ist. Na ja, vielleicht kann sie ja schon was dafür, aber selbst gemacht hat sie es doch ganz sicher nicht. Taxifahrer, weil sie auf dem Weg zum Flughafen im Stau stehen. Entertainer, weil sie überhaupt nicht lustig sind, und schon seit zwanzig Jahren keinen Erfolg haben. Alle werden zugenörgelt, mit eigentlich gegen sich selbst zu richtendem Frust über das kleine, mehr als mittelmäßige, verpatzte Leben. Oder sie meinen eben weit über diesem niederen Dienstleistungspersonal einer kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft zu stehen, die sich gerade mit ihrem Reise-, Konsum- und infantilem Eventgedönse den finalen Schuss setzt. Hat uns da nicht gerade (und wir sind tatsächlich noch mittendrin!) ein Virus dazu aufgefordert unser Verhalten gegenüber diesem wundervollen Planeten (und erst recht gegenüber den Schwächsten in dieser Gesellschaft!) komplett zu ändern?! Aber nein, der Bundestag applaudiert euphorisch über ein von der Bundesregierung ausgewiesenes Sondervermögen, das der weiterhin seine schmutzigen Geschäfte treibenden Rüstungsindustrie mal wieder Milliarden zuschanzt. Ich wäre stolz auf ein Land, das im dritten Jahrtausend endlich mal wirklich Position bezieht, im Sinne der friedlichen Weiterführung der Menschheitsgeschichte und sich als neutral erklärt. Ergo keinen einzigen Cent mehr für die Aufrüstung ausgibt. Wird aber mal wieder nix, wohl alles nix. Denn so ausverkaufen wir Stück für Stück weiterhin diesen wunderbaren Planeten und verhöhnen auf zynische Art und Weise die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Wir alle, die wir uns jetzt einen neuen SUV, einen voll digitalisierten Camper gekauft haben und die Strände wie die Ölsardinen bevölkern, als gäbe es kein morgen. Mal wieder stopfen sich wenige ins Unermessliche die Taschen, während wir einen Großteil der Menschheit komplett abhängen. Auch in diesem Land. Soll dass wirklich so kommen? Könnte ich mich wirklich so was von drüber aufregen. Könnte ich so was von mit der Kettensäge drüber gehen, wenn ich nur ein zur Gewalt neigender Mensch wäre. Doch, der Konjunktiv hat ja bekanntlich im Leben noch niemals wirklich weiter geholfen. Und da ich jetzt nicht weiter nörgeln will, mach ich lieber Schluss.

Vorab

Ich neige als Autor schon immer dazu abzuschweifen, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. So wie in einem guten Gespräch, das einen wirklich belebt und nach dem das Leben wieder Freude macht, hatte man zuvor auch gar zu schwere Stunden und Gedanken. Also werde ich in diesem Roman diese Gedanken mit einem anderen Schrifttyp kennzeichnen. Denn ich möchte dem Leser nicht zu viel seiner kostbaren Lebenszeit rauben. Schließlich sind wir alle auf einer halbgefrorenen Eisdecke unterwegs und keiner weiß wirklich, wie lange sie noch halten wird, bevor wir komplett einbrechen und ertrinken werden. In einer nicht vorhersehbaren Sekunde vielleicht. Oder einen langen, mutigen Kampf

zu beginnen ums Überleben, uns so lange wie möglich in dem eiskalten Wasser zu halten und auf Rettung zu hoffen. Überspringt einfach diese Absätze, wenn ihr ausschließlich an der Geschichte von Nicki, Max und Mandy interessiert seid. Oder bleibt auch in diesen Gedanken bei mir, mögen sie ebenso dazu beitragen, tiefer in diese Handlung einzutauchen.

 

Ganz sicher ist Erfolg komplett überschätzt , geradezu überflüssig, ihm ein geschäftiges Leben lang nachzustreben und am Ende, zehn Zentimeter vor einem brüllend lauten Flachbildschirm zu sitzen und sich zu fragen, warum habe ich das alles eigentlich getan? Warum habe ich über die viele Arbeit, die mein Leben ausmachten, Frauen, Kinder, Freunde, die Familie und auch die Liebe vernachlässigt? Was hat mir das alles wirklich gebracht? Hätte ich nicht viel früher anfangen sollen wirklich zu leben und dabei den Wunsch nach Anerkennung und Erfolg im Beruf hinten anzustellen? Machen Besitz, Anerkennung und Erfolg wirklich glücklich. Oder ist es vielmehr so, nach je mehr wir streben, je mehr wir besitzen wollen und konsumieren, desto unglücklicher werden wir? Vergessen die ganz einfachen Dinge des Lebens, die da wären Essen , Trinken, Schlafen, Sex und das allerwichtigste die Liebe! Die spätkapitalistischen Systeme bringen inzwischen ein vielfaches an zu therapierenden psychischen Erkrankungen hervor, denn Millionäre.

Und dennoch werden wir unablässig mit Werbung und Wünschen konfrontiert nach noch traumhafteren, luxuriöseren Fernreisen, immer größeren Flachbildschirmen, stetig neuen Automobilen und Handys, die schon sehr bald im Zusammenleben wichtiger sein würden, denn es das persönliche Gespräch sein wird. Vereinsamung als Folge.

Auf 10 Aufstände kamen 1000 Kriege. Auf Jahrzehnte des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Höhenflugs der totale Zusammenbruch. Grundsätzlich hat sich in keinem Gesellschaftssystem an den Klassenstrukturen etwas geändert. Es gab immer die Besitzenden und die Besitzlosen. Die Wissenden und die, denen Bildung nicht zugänglich gemacht wurde. Die Unterdrücker und die Unterdrückten. Diejenigen, die Ärzte und Gelehrte unterhielten (und im sehr viel geringerem Umfang mitunter auch Künstler!) und diejenigen, denen nichts anderes übrig blieb, als Gott um Heilung und Beantwortung ihrer Fragen anzubeten. Oder eben Google. Doch nun war ein neues Zeitalter angebrochen, das die Menschen schon sehr bald in den Würgegriff nehmen würde und das wieder von denen bestimmt würde, die zu den Besitzenden, ja inzwischen zu den Milliardären gehörten. Das Zeitalter der Digitalisierung. Schon bald würden Menschen viel mehr Stunden am Tag vor Flachbildschirmen verbringen, die größer wären als ihre Esstische, vor denen sie, vor nicht allzu langer Zeit noch zusammen gegessen, gestritten, gespielt, gebacken und gebastelt hatten. Und ganz sicher auch der eine oder andere Familienstreit im Alkohol ertränkt wurde. Arbeitslos zu sein, oder noch schlimmer erfolgloser Künstler, würde schon sehr bald zum legitimierten Vollzeitjob werden. Denn die Volkswirtschaft wäre noch sehr lange gesund genug, um sich den Luxus leisten zu können, dass wenige extrem viel verdienten und dafür sehr viele mehr eben extrem wenig. Nur so, indem viele , auch im Zeitalter der Digitalisierung, zum Niedriglohn versklavt wurden, versorgt mit schlechtem Essen, schlechtem Fernsehen und schlechter Musik, konnte sich das Kapital aufmachen, bald zu 1,6 Millionen Einkommensmillionären, die Billionen besitzen würden. Hingegen für jedes vierte Kind, das von Armut bedroht sein würde, nicht einmal 3 Milliarden zur Verfügung stehen würden. Für Künstler niemals ein Grundeinkommen, das gerade mal 1,5 Milliarden in Anspruch nehmen würde. Für Krankenhaus- und Pflegekräfte niemals ein respektvolles Einkommen. Hingegen sich Präsidenten, Kanzler, Minister und Politiker nach wie vor mit Monatsgehältern, Limousinen und Spesen ausstatten würden, deren Umsatz ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung kaum im Jahr erreichen würde. Bildung würde schon sehr bald seinen Auftrag verlieren, denn es ginge mehr um Speicherung von Daten, denn um das Weitertragen von Wissen und Kommunikation. Kommunikation wäre nicht mehr die Grundlage jeder Liebesbeziehung, jeder Beziehung überhaupt, egal, ob privat oder im Business. Kommunikation würde verkommen zu Audiofiles, Downloads, Podcastgequatsche und bauchpinselnden, narzistischen Videos über Belanglosigkeiten von Schönheit, Lifestyle und Coachings, wie was zu tun, zu kochen, zu essen, zu leben, zu tragen, zu lieben, zu handwerken, zu bauen oder im Bett zu vollziehen sei. Private Pornos würden bald mehr angeschaut werden, als der Partner selbst. Jugendliche sexuell aufgeklärt durch Youporn und Xhamster. Dickliche Kinder würden in gebückter Haltung Ballerspielen fröhnen, bald schon in Suchtkliniken landend. Messanger würden zur Überverbreitung sich überschlagender Informationen beitragen. Klicks und Likes den Erfolg eines Menschen definieren. Es würde auf allen Kanälen um die Wette gesungen, gekocht, gerannt, getanzt, abgenommen, geliebt, musiziert und getextet werden. Und wollte man tatsächlich jemanden um ein persönliches Treffen, ein persönliches Gespräch bitten, hätte er keine Zeit, da er ja gerade sehr wichtige Dinge mit seinem Handy zu erledigen hätte. Alles würde zu einer enormen Wichtigkeit gelangen. Der Mensch würde sich verkaufen und promoten, auf der Überholspur des Wunsches nach Ruhm, Macht, Erfolg und dem damit verbundenen Reichtum. Auf der Hatz nach noch schnelleren Autos, größeren Häusern und ferneren Luxusreisen. Wissen würde von allen Bildschirmen in hetzerischen Überschriften daher kommen. Kommentare und Beurteilungen Menschen hassen und vernichten. Die Möglichkeit der Auseinandersetzung würde dabei verloren gehen. Auseinandersetzung am gemeinsamen Esstisch. Von mir aus auch im Stehen in der Küche. Denn gegessen würde schnell, hoch kalorisch und verfettet, unterwegs zu noch wichtigeren Meetings, Calls und Posts. Kaum jemand würde noch zu der Einsicht gelangen, sich Wissensgebiete zugänglich zu machen, um so seinen Blick zu schärfen für Ungerechtigkeiten und unmenschliche, zwischenmenschliche Beziehungen. Kunst gäbe es im großen Überfluss nur noch im Sinne der Vereinfachung. Ihr würde die Funktion zukommen die Menschen auf einfachste Art und Weise abzulenken und zu unterhalten. Sie hätte ihre ursprüngliche Funktion verloren, neue Formen der Bewegung, der Erkenntnis und des Ausdruckes aufzuzeigen. Die Kunst als Ausdruck des Widerstandes gäbe es in den Massenmedien nicht mehr. Denn diejenigen, die die Programme und Apps entwickeln lassen würden, mochten den Widerstand nicht. Er würde ihrem Bestreben nach Vermehrung des Gewinns widersprechen. Widerstand beinhaltet immer den Wunsch nach einer teilenden und gesunden Gesellschaftsform. Nichts also für die bald 1,6 Millionen Einkommensmillionäre, allein in Deutschland. In dieser wunderbaren, digitalisierten Welt würden die Menschen zeitnah mehr Freizeit haben, hingegen sie nicht mehr Zeit gewonnen hätten, denn sie würden ja ständig ihre digitalen Medien bedienen und programmieren müssen. Zum selber kochen kämen gar nur noch dreißig Prozent der Haushalte. Begründung: Keine Zeit! Der allerkleinste Teil der Gesellschaft würde noch am kulturellen Leben partizipieren. Begründung: Hab ich ja eh alles auf dem Handy. Musik wäre zugänglich mit nur einem Klick. Alles, was jemals an Musik produziert worden wäre, von der Klassik bis zum Techno, vom Jazz bis zum Pop, vom Blues bis zum Singer/Songwriter. Alles für umsonst. Ein Klick und schon wären jedem User Billionen Songs und Musikstücke zugänglich. Wer davon vorrangig profitieren würde? Wahrscheinlich ahnt ihr es schon. Ich brauche es noch nicht einmal zu benennen. Ganz sicher aber wären es nicht die Künstler. Trotz dieser ungeahnten Möglichkeiten der Digitalisierung, würde sich alles, und zu jeder Zeit, nachhause bestellen lassen können. Trotz dieser gewonnenen freien Zeit, würden die Menschen sich langweilen. Sie würden latent aggressiv werden. Es käme in den Familien, Ehen und Beziehungen zunehmend zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen. Es würden so viele Übergriffe und Gewalttaten, gerade auch im häuslichen Umfeld, begangen werden, wie niemals zuvor. Die Kunst würde niemanden mehr aufregen und jedwede Information würde in nur einem Klick zugänglich sein. Alles, was zu erledigen sein müsste, würde sich von selbst erledigen. Am öffentlichen oder kulturellen Leben würden kaum noch Menschen teilnehmen, denn sie säßen Zuhause vor ihren Bildschirmen. Schon bald würden Menschen mehr Zeit davor verbringen, als im Theater, Kino, Konzertsaal oder bei besten Freunden. Sie würden sich dick essen, der Sprache kaum noch mächtig, geschweige denn ihre Wünsche und Gefühle ausdrücken zu können. Die Jugendkultur würde einfach abgeschafft. Denn sie fand nunmehr im Netz und nicht mehr auf der Straße, in Jugendclubs oder auf Sportplätzen statt. Schon bald würden die Menschen aufgeben, was sie in 40000 Jahren mühsam gelernt hatten: Aufrecht und auf zwei Beinen, mit stolzen, erhobenen Blicken zu gehen. Freiwillig würden sie Opfer einer Billionen schweren Industrie werden, die sie dazu nötigen würde, freiwillig wieder gebückt zu gehen. Überall würden diese bimmelnden, zuckenden, wabernden, bellenden, klingelnden und grell aufflackernden elektronischen Taschenrechner im Schokoladentafelformat, das Leben beherrschen. Kaum einer könnte noch auch nur für einen Moment an sich halten, um sich diesen grell wabernden Taschenrechner erneut unter die Nase zu halten. In dieser digitalisierten Welt würden privilegierte IT-Experten nicht nachlassen ihr Kapital einzusetzen und zu vermehren, Programme zu entwickeln, die die Einschränkung des Geistes und der Selbstständigkeit des Menschen auf ein Minimum reduzieren würden. Hingegen der Wunsch nach Konsum und Vereinfachung der Abläufe in allen Lebensformen immer größer würde. Schließlich würden sich die Menschen zu Tode langweilen, denn es gäbe kaum noch etwas, das sie wirklich berühren würde. Sie wären überfrachtet mit Bildern und sich immer weiter verkürzenden Videosequenzen, so dass sie zu einer wirklichen Gefühlsregung nicht mehr fähig wären. Künstler würden für Minuten erfolgreich werden, um wenig später komplett vergessen zu sein. Ach, was sag ich, Sekunden reichen auch. Plattenfirmen hätten kein Interesse daran, Künstler durch die Höhen und Tiefen ihrer Karriere zu begleiten, würde für sie das schnelle Geld in schnellem Ruhm und Klickzahlen begründet liegen. Denn nur so würde sich ein Künstler gewinnbringend vermarkten lassen. Ich denke, kennen Millionen einen Künstler, ist er also als erfolgreich zu bezeichnen, so kennt er von denen doch so gut wie keinen. Und, ganz sicher, sind im Endeffekt mindestens genauso viele Künstler am Erfolg, wie am Misserfolg, gescheitert. Vielleicht wird auch einfach nur zu viel getextet, komponiert und sämtlichen Formen des künstlerischen Handwerks Ausdruck verliehen. Millionenfach, jeden Tag. Da muss der Kunstmarkt ja einfach überfordert sein. Wer kann das alles gebrauchen? Ruhm, Macht und Erfolg als Antriebskraft eines kreativen Lebens? Natürlich wünscht sich jeder Mensch Anerkennung und Liebe, die ihm entgegengebracht wird, für das, was er tut. Aber, man sollte sein Glück auf keinen Fall davon abhängig machen, denn, wie viele Menschen auf diesem Planeten konnten sich schon wirklich als erfolgreich bezeichnen?

Und heißt Glück nicht einfach eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis? Hemingway hat es so beschrieben. Er starb an Depressionen und Alkoholkonsum und erschoss sich am 2. Juli 1961 mit einer Schrotflinte. Zuvor hatte er die glücklichsten Jahre seines Lebens, fernab des amerikanischen Literaturbetriebes, in einer Finka auf Kuba verbracht. Einfaches Leben, fernab jedweden Erfolgsdrucks, jedweder Eitelkeiten, Reichweiten und Verkaufszahlen. Wahrscheinlich war auch für ihn eben das die glücklichste Zeit seines Lebens. Kein Feuilleton, keine aufgeblasenen, wichtigtuerischen Kritiker, kein Verleger, der von ihm stetig forderte, den nächsten Bestseller abzuliefern. Einfach nur eine Terrasse mit einem schmalen, langen Holztisch für Gäste aus Havanna und liebgewonnene Nachbarn, ein paar Flaschen guter Rum, eine Kiste Havannas, Reis und Bohnen und ein gut gebratenes Stück Hähnchen zu Avocados und Süsskartoffelstampf. Nicht zu vergessen seine dritte Frau, Martha Gellhorn, mit der er sich gemeinsam auf Kuba niederließ. Martha entdeckte dort ein Gutsherrenhaus, 15 Kilometer entfernt vom Zentrum Havannas, das Heminway kaufte. Sie machte es für die Beiden wohnlich und ließ es renovieren, was sie jedoch nicht davon abhielt, weiterhin um die Welt zu reisen als Berichterstatterin und insgesamt 20 Bücher zu veröffentlichen. Hemingway fühlte sich von ihr vernachlässigt, und schrieb ihr in seiner Enttäuschung, jedwede Fähigkeit zum Schreiben ab. Die beiden zerstritten sich an einem Heiligabend (Scheint ein sehr beliebter Trennungstag für Paare zu sein!) und sie ließen sich 1945 scheiden. Hemingway kehrte jedoch immer wieder nach Kuba zurück, wo er später verehrt werden würde, als großer amerikanischer Schriftsteller, sollten sich Amerika und Kuba auch auf lange Sicht hin Feinde bleiben. Sozialismus gegen Kapitalismus, das ging selten gut aus, ohne dass der Sozialismus, angewiesen auf die Hilfe kapitalistischer Länder und Investitionen, wirtschaftlich zugrunde ging, oder eben ganz vom Kapitalismus geschluckt wurde.

Vielleicht ist Erfolglosigkeit kein, oder kaum ein Publikum zu haben, auch einfach nur die Angst, niemals gesehen zu werden, es einfach so zu tun, ohne zu wissen für wen? Ist es so wie die Angst, niemals wirklich geliebt zu haben? Einen Sinn im Leben zu finden, weil es einen Menschen gibt, den man von Herzen liebt und begehrt? Mehr Erfolg kann es im Leben nicht geben. Geld wird unwichtig, nicht Sinn führend. Erfolg und Anerkennung zur absoluten Nebensache, findet man diese doch in eben diesem geliebten Menschen. Von der Geburt an wird der Mensch ob seines Erfolges beurteilt. „Oh, es ist ein Junge!“ oder „Ah, ein Mädchen!“. Weiter geht es in der Schule, mit ganz und gar überflüssigen Noten, dem ständigen Vergleich, wer besser abgeschnitten hat. Der Wettbewerb im Sport und die beste Leistung, die größten errungenen Erfolge, auch bei den Mädchen. Der Schulabschluss, mit oder ohne Befähigung zu höheren akademischen Graden berufen zu sein. Der Kampf um die besten Jobs und Gehälter, das größere Haus, die luxuriöseren Fernreisen, das teurere, schnellere Auto. Die Kinder, talentierter und gebildeter als die anderen. Und kaum sind diese aus dem Haus, gehts schon darum, wer den neuesten Camper sein eigen nennt im Carport, in Kürze die höchste Rente beziehen wird. Ausgezeichnet mit Urkunden, Medaillen, Preisen und höchsten Verkaufszahlen. Die Menschen verleihen sich nun mal gerne, in ihrer unendlich ausgeprägten neurotischen Eitelkeit, Preise, Pokale, Auszeichnungen. Und schon ist das Lebenswerk dran. Die Kinder übernehmen das kapitalistische Modell, der endlosen Leistungsbereitschaft und Erfüllung höchster Ansprüche. Sie spielen weiter ganz vorzüglich auf der Klaviatur des Kapitalismus. Sie horten weiter, besitzen weiter, erfüllen weiter, vergleichen sich weiter, steigen auf und sind mit dem erreichten doch niemals zufrieden. Denn, wer erfolgreich ist, schaut niemals nach unten, sondern immer zu dem hinauf, der scheinbar noch mehr erreicht hat. Sie bekommen niemals genug, wollen immer mehr. Sie merken dabei nicht, dass sie einen Großteil der Menschheit längst hinter sich gelassen haben, geradezu abgehängt. Im Dunklen stehen gelassen. In Armut und Chancenlosigkeit. Haben eben nicht genug geleistet. Nicht dem Leistungsprinzip entsprochen. Waren zu schwach. Oder sind eben einfach auf Kuba geboren worden und nicht im verkoksten Germany. Haben den falschen Pass und wir den richtigen. Können nicht schreiben und sagen, was sie wollen. Leben in einer Diktatur, in einem Einparteienstaat, mit einer Zeitung und einem Fernsehsender. Wenn denn der Strom überhaupt angestellt ist. Haben den besten Rum der Welt und doch kaum Milch für die Kinder. Eine halbe Welt vergessen, damit es wenigen viel zu gut gehen kann. Und das seit Jahrhunderten. Eigentlich schon seit es Menschen gibt. Eben weil es nur so funktionieren kann, wenn es wenigen immer besser gehen soll, indem man nicht gerecht teilt. Der, der immer das größte Stück vom Kuchen isst, wird eben fett. Haben wir nicht schon im Kindergarten gelernt und gesungen. „Komm wir teilen, teilen, teilen...meins oder deins, was für ne blöde Frage. Meins oder deins, so geht es alle Tage“.

War wohl der falsche Liedtext, oder eben der falsche Kindergarten. Alles vergessen auf der Klaviatur des Kapitalismus, die der, der erfolgreich sein will, bis in die letzte Kadenz zu spielen in der Lage sein muss. Karriere ist ein Gendeffekt, finde ich. Na klar, das ist nur meine Meinung. Die Meinung von Max. Einem unbekannten Unterhaltungskünstler. Und, wir sehen ja, wohin ihn diese Einstellung gebracht hat. In ein schmuddeliges, feuchtes, verschimmeltes, heißes Zimmer ohne Klimaanlage. Egal, nicht jeder kann sich in die Geschichtsbücher eintragen, oder eben auf Wikepedia. Und ohnehin stehen da schon mehr als ausreichend Arschlöcher verzeichnet. Feldherren, Diktatoren, Idole, versoffene Literatur- und Nobelpreisträger. Haben alle wirklich etwas geleistet und sind dafür belobigt und verehrt worden. Das Leistungs- und Erfolgsprinzip als Grundlage aller Werte und Lebensziele? Vielleicht ist es eben das, was die Welt und die Menschheit immer wieder in akute Schräglage bringt, bis zum vollkommenen Zusammenbruch. Gab es bisher doch keine Gesellschaft im Höhenflug, die auf dem Höhepunkt ihres Höhenfluges, ihrer Eroberungs- und Feldzüge nicht komplett zusammengebrochen wäre. In Schutt und Asche zerfallen ist. Größenwahn endet demnach verlässlich im Untergang. Abspaltung von der Masse, und auch von den Grundbedürfnissen, zum Wohlergehen weniger, im Zerfall einer kompletten Gesellschaft. Wir können diese schwere, neurotische Erkrankung sowohl dem Kapitalismus, als auch dem Sozialismus diagnostizieren. Für mich waren Ruhm, Macht und Erfolg niemals erstrebenswert. Diamanten, Reichtum und Besitz vollkommen gleichgültig. Macht auf Dauer doch das Teilen viel mehr glücklich, als das Besitzen. Teilen schafft Freunde. Besitzen Feinde und Neider. Wer einmal ganz oben gestanden hat, ausgezeichnet mit vortrefflichen Preisen und Gehältern, will immer noch mehr. Er schaut niemals nach unten, um sich anzupassen, empathisch mit denen, denen es nicht so gut ergangen ist, zu teilen. Er schaut nach oben, denn einer wird sich immer finden lassen, der noch erfolgreicher ist, noch mehr Anerkennung gefunden hat, noch berühmter ist und noch mehr Geld verdient. Wer zum Mond geflogen ist, will als nächstes auf dem Mars landen und sich nicht wieder mit seinen Nachbarn einen ollen Vw teilen und den Camper vielleicht gleich noch mit. Zumal der ja ohnehin nur zwei Wochen im Jahr aus dem Carport geholt wird. Und am Ende dieser Kette sind wir alle doch nichts weiter als Sternenstaub, bekommen noch eine Beurteilung der Pastorin mit auf den Weg: „Er war immer für alle ein Vorbild an Leistungs- und Hilfsbereitschaft!“ Und schon schließt sich der Kreis an Beurteilungen, die uns das gesamte Leben lang begleiten. Und das einzige, was wir wirklich mitnehmen können, ist die Liebe. Die Menschen, die wir wirklich geliebt haben. Liebe macht erfolgreich. Wirklich empfundene Liebe ist der einzig wirkliche Erfolg. Sie macht uns erfüllt und bedingungslos glücklich. Egal, ob wir später in den Geschichtsbüchern verzeichnet sein werden, oder eben auf Wikepedia, weil wir, wer weiß wie viele Bücher verkauft oder Songs in den Charts hatten. Die weitaus größere, nicht erkannte Masse an Menschen, erkennt sich selbst, macht sein Leben sinnvoll nur durch eines: Die Liebe. Einzig durch die Liebe treten wir aus dem Schatten, bringen uns gegenseitig zum Strahlen. Liebe und Gesundheit sind das einzige, was wir uns nicht kaufen können.

Ist Kunst dann vollkommen sinnlos, wenn sie sich nicht verkauft? Zumal es ja, bei weitem, der größte Teil der erschaffenen Kunst ist. Oder macht es gerade dann einen Sinn, wenn man nicht weiß, ob das, was man tut, jemals einer Sinnhaftigkeit zugeführt werden wird? Weil man es eben nur dann so erschaffen kann, ohne daran zu denken, wem es gefallen könnte? Sinnlose Kunst, weil gar nicht bemerkt? Von so gut wie niemandem. Zumindest kaum einem Leser oder Hörer. Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst? Der Sinn der Kunst ist die Kunst selbst? Und, wer zu viele Zweifel hat, an dem, was er erschafft, zweifelt zuallererst doch nur an sich selbst? Ergo, kaum sinnvoll es zu tun? Vergessen wir das. Philosophie über die Sinnhaftigkeit des Lebens. Kaum weiterführend. Zumindest nicht für diese Geschichte. Na klar, wäre es schön wirtschaftlich abgesichert zu sein. Die Tantiemen flögen nur so rein für Romane und Songs. Aber, mal ganz ehrlich, wie viel Prozent der Künstler ist das wirklich vergönnt? Ganz sicher im kleinsten einstelligen prozentualen Bereich. Und noch was, am Ende dieses Abschweifens von der eigentlichen Geschichte von Nicki, Max und Mandy. Mal ganz ehrlich, möchtet Ihr Gäste in eurem Wohnzimmer willkommen heißen, die sich ständig was auf die Fresse hauen, das Essen nicht miteinander teilen und sich am Ende der Party nicht am Abwasch beteiligen? Ebenso verhält sich aber gerade ein Großteil der Menschen, ganz besonders derer, denen es ausnehmend gut geht, auf dieser wundervollen Erde, mit unfassbar, tollen Lebewesen und unendlich feinen Möglichkeiten. Der Mensch besitzt dabei zwei ganz prägnante Fähigkeiten, die da wären: Die Intelligenz und die Gier. Scheint so, als hätte er sich bereits dafür entschieden, welche dieser Fähigkeiten die Pol-Position übernehmen würde. Halleluja, Brüder und Schwestern. Aber, zum großen Glück für diese Geschichte, befinden wir uns ja nach wie vor erst im Jahr 2003. Da war zwar absolut nichts besser. Wie früher niemals etwas besser war, sondern eben nur anders.

 

 

Fragt später bloß nicht, was hier autobiographisch ist, und was nicht. Und sollte sie dennoch kommen, diese Fragen aller Fragen, an der ganz sicher kein Autor vorbei kommt, gebe ich ihr schon jetzt ein gerechtes Unentschieden: 50:50. Aber, wollen wir hier mal nicht so kleinlich sein. Ist ja schließlich ein Roman, und da darf vieles stattfinden, was die Vergangenheit so nicht wirklich hat stattfinden lassen (...)